gzpk besucht das Keyserlingk-Institut am Bodensee
Im Sommer begab sich eine kleine Truppe von gzpk ans Keyserlingk-Institut und lernte Neues über ein besonderes Wildgras. Diesen erste Teil von Noemi’s Erzählung lesen Sie auch in unserem Magazin „gzpk aktuell winter 24/25“. Darüber hinaus erfahren Sie hier im ausführlichen Artikel etwas über die Linsen-Züchtung und warum sich das Keyserlingk-Institut mit dem Einführen des „Züchter:innenpromille“ leichter tut als wir.
Autorin: Noemi Peter
Im Winter 2023 hatte ich Udo Hennenkämper an der biodynamischen Züchter:innen Weiterbildung auf Schloss Lichtenfels am Bodensee kennengelernt. Natürlich haben wir uns rege über unsere Arbeit ausgetauscht.
Udo leitet das Keyserlingk-Institut, wo seit über 30 Jahren biodynamisch gezüchtet, kultiviert, gesichtet und weiterentwickelt wird. Das Institut befindet sich in Salem, einer Gemeinde im südlichen Baden-Württemberg, wenige Kilometer vom Bodensee entfernt. Die aktuell bearbeiteten Kulturen umfassen Winter-Weich- und Winter-Hartweizen, das Wildgetreide Dasypyrum und Linsen. Nebst der Arbeit mit den Pflanzen liegt der Hauptfokus in der Zusammenarbeit mit der Region: Mit der Landwirtschaft, Bäckereien und dem Handel.
Tätig sind am Keyserlingk das Gründungsmitglied Bertold Heyden sowie Martin Weber, Udo Hennenkämper und seit neustem Philipp Schober und viele helfende Hände während den Arbeitsspitzen im Sommer. Im Folgenden möchte ich ein paar Besonderheiten hervorheben – auch im Vergleich zu uns – die mich beeindruckt haben.
Das Züchter:innenpromille
Weizen und Roggen bearbeitet das Institut im Rahmen eines Projektes mit Titel «Regionalsortenprojekt». Dieses beinhaltet eine Wertschöpfungskette-umfassende Finanzierung des Keyserlingk-Instituts, sodass beim Brot- und Mehlverkauf aus Bäckereien und Detailhandel ein Verkaufspreis-Anteil als «Züchtungsbeitrag» direkt an das Institut fliesst. Dass diese Idee von einem, wie wir sagen, «Züchter:innenpromille», hier umgesetzt wird, begeistert mich.
Bei einer finanziellen Unterstützung durch die Wertschöpfungskette stellen wir uns vor, dass nebst den Landwirt:innen auch die übrigen Wertschöpfungsbereiche bis zum Detailhandel einen Anteil des Gewinnes zurück in die Züchtung fliessen lassen. Dies würde der gzpk eine lang ersehnte Basisfinanzierung ermöglichen. Warum wir das nicht auch so machen, hat mit einer weiteren Besonderheit des Keyserlingk-Instituts zu tun. Im Unterschied zu uns züchtet das Keyserlingk-Institut sogenannte Erhaltungssorten.
Als Erhaltungssorten angemeldete Sorten haben ein erleichtertes Zulassungsverfahren bezüglich Leistung und Homogenität, sind aber eingeschränkt bezüglich Verkaufsmenge und Anbau-Region. Für die gzpk kommt dieses Konzept nur für Nischensorten in Frage, denn unsere bekannten Sorten werden nicht nur regional, sondern auch international vermarktet, was für Erhaltungssorten nur eingeschränkt möglich ist. Zudem übersteigen die gzpk Sorten die auferlegten Verkaufslimite. Für das Keyserlingk-Institut ist dies aber ein passender Kompromiss, da das Institut einen engen Austausch mit der regionalen Wertschöpfungskette pflegt, explizit dafür züchtet und im Vergleich zu gzpk kleine Mengen an Saatgut verkauft. Ihre Sorten sind lokal bestens eingebettet, sie werden von der Region aktiv gestützt. Udo Hennenkämper betonte jedoch, dass dies eine Besonderheit der Region sei, da am Bodensee schon eine Zusammenarbeit von Demeter-Höfen, Händlern und Verarbeitern bestand. Der Handel mit Saatgut von Erhaltungssorten erspart dem Keyserlingk-Institut zudem Arbeit bei der Erreichung der Homogenität und den national verlangten Prüfungskriterien.
Besser verträgliche Weizensorten
Eine Spezialität der Keyserlingk-Züchtung ist der Fokus auf Amylose-Trypsin-Inhibitor-arme Weizensorten. Diese sogenannten ATIs sind Proteine, welche als möglicher Verursacher für Weizensensitivität gelten (nicht Zölliakie oder Weizenallergie). Die Wissenschaft ist sich zwar darüber noch nicht einig, direkte Rückmeldungen zeigen aber einen Trend, dass die ATI-arme Sorte Goldritter des Keyserlingk-Instituts im Vergleich zu anderen Sorten als verträglicher wahrgenommen wird. Goldritter Produkte werden deswegen auch sortenrein an sensitive Konsument:innen vermarktet.
Beim Hartweizen wird vor allem auf Winterfestigkeit und Eignung für die Pastaproduktion selektiert. Bei den Körnern wird auf eine gelbe Farbe geachtet und im Gegensatz zum Brotweizen geht es darum, möglichst viel Griess aus den Körnern mahlen zu können. Auf dem Feld bestechen die Ähren durch eine eindrucksvolle Farben- und Formen-Vielfalt.
Wildgras
Ein Engagement für die Biodiversität wird mit der Inkulturnahme des Wildgetreides Dasypyrum (Titelbild) geleistet – das Herzensprojekt von Bertold Heyden, denn das zierliche und hochwachsende Gras hat auch ohne Züchtung bemerkenswert grosse Körner. Deshalb sieht Bertold darin ein grosses Potential zur Kultivierung. Gesammelt hat er die fremdbestäubenden Wildpflanzen auf der Krim und auf Sardinien. «Wildgras» bedeutet im Falle von Dasypyrum auch wirklich wild, im Sinne von nicht kultiviert und so ganz und gar nicht an die landwirtschaftliche Praxis angepasst. Die Spindel der Ähre zerfällt zur Reife und entlässt den Samen. Daher muss das Gras noch im unreifen Zustand geschnitten und auf dem Feld getrocknet werden. Wie beim Dinkel verbleibt das Korn beim Drusch im Spelz und wird erst nach der Ernte durch eine Maschine – die speziell für diesen Zweck von Ingenieuren vom Bodensee entwickelt wurde – ent-spelzt. Das macht die Ernte und Reinigung zu kniffligen Aufgaben, welche Fingerspitzengefühl und Tüftelei bedürfen.
Linsen
Udo Hennenkämper züchtet seit 2011 Linsen – als Einziger, zumindest in Deutschland. Nebst Pflanzengesundheit, Ertrag, einheitlicher Abreife und Wüchsigkeit nennt er die Standfestigkeit als Hauptzuchtziel, wobei verschiedene Stützfrüchte, beispielsweise Hafer, Wintergerste oder Leindotter, verwendet werden. Da die Linse – anders als Getreidearten – auch durch Insekten fremdbestäubt werden kann, entsteht die Diversität ohne menschliche Hilfe auf dem Feld. Aus dieser Vielfalt wählt Udo wüchsige Einzelpflanzen aus und vermehrt diese im Gewächshaus, bis genügend Saatgut für ein Feldversuch vorhanden ist. Eine Beluga-Linsensorte wird unter dem Namen «Kleine Schwarze» erfolgreich im Netzwerk angebaut und vertrieben.
Der Anbau von Leguminosen wird in Deutschland und in der europäischen Union politisch gefördert. Entsprechend wirkt das Keyserlingk-Institut bei zwei Verbundprojekten mit, in denen über 1000 Linsenherkünfte und eigene Zuchtlinien gesichtet, charakterisiert und gegebenenfalls vermehrt werden. Dabei geht es vor allem um die Anbaueignung, das Testen verschiedener Stützfrüchte und die Verbesserung der Winterhärte.
Erkenntnisse
Besuche bei anderen Züchtungshäusern sind immer bereichernd und inspirierend. Besonders beeindruckt hat mich beim Keyserlingk-Institut der intensive Kontakt mit Landwirtschaft und Wertschöpfung in der Umgebung, welcher eine Umgehung der oft engen Anforderungen der offiziellen Sortenprüfung ermöglicht. Hier wird standortangepasste Züchtung und eine Verbindung von Züchtung bis zur Konsumentin gelebt, was die Teilnahme an internationaler Forschung (Linsen-Projekt) nicht negativ beeinflusst.